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LFÄ:  Parteiunabhängige „Liste Freier Ärztinnen und Ärzte”

Konzept für die Ärztekammer-Wahl 2022

 

Die Ausübung des Arztberufes muss weisungsfrei sein und bleiben. 

Sobald die Approbation erfolgt ist, also das „Ius practicandi“ zuerkannt wurde, ist es Aufgabe der Ärztin/des Arztes weisungsungebunden nach bestem Wissen und Gewissen zu praktizieren. Ausnahmen sind die in Ausbildung befindlichen Ärzt*innen ohne Ius practicandi. Sie sind notwendigerweise ausnahmslos ihren direkt vorangestellten medizinischen Lehrer*innen und Professorinnen weisungsgebunden.

 

Diagnose und Therapie sind ausschließlich ärztliche Tätigkeiten

Eine Diagnosestellung kann nur nach den jeweiligen von der Ärztin/dem Arzt angeordneten Untersuchungen und der individuellen Anamnese der jeweiligen Patient*innen erfolgen. Die Interpretation dieser Ergebnisse inklusive der Laborergebnisse mündet üblicherweise in einer Diagnose (möglicherweise auch in Differentialdiagnosen) und obliegt ausschließlich dem Arzt. Diese „Interpretation“ basiert in der Regel auf jahrelanger Ausbildung und Erfahrung und entspricht dem, was man landläufig unter „ärztlicher Kunst“ versteht.

 

Die ärztliche Kommunikation kann und darf niemals übertragen werden

Die Übermittlung der Diagnose gehört ebenfalls zum medizinischen Handwerk. Die Art und Weise, in der diese erfolgt, ist für die Akzeptanz entscheidend. Diese Akzeptanz ist wichtig, um mit dem Patienten das weitere Vorgehen gemeinsam besprechen zu können. Oftmals einigt man sich auf Therapien, die nicht den primären Empfehlungen der Leitlinien entsprechen, da spezielle Komorbiditäten, Kontraindikationen oder individuelle Gründe vorliegen. Die Einigung über ein Therapieschema ist ebenfalls entscheidend für den Therapieerfolg und verhindert die gefürchtete Polypharmazie und/oder Noncompliance.

 

Die ärztliche Schweigepflicht und Datenschutzverordnung

Trotz der begrüßungswürdigen Einführung sinnvoller digitaler Lösungen in das bestehende Gesundheitssystem, muss das Recht der Patientin/des Patienten auf Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht erhalten bleiben, um auch weiterhin Vertraulichkeit als einen der wichtigsten Eckpfeiler in der Kommunikation und Behandlung gewährleisten zu können.

 

Klare Trennung zwischen dem Arztberuf und anderen Berufsgruppen

Aufgrund der unter Punkt 2. bis 4. angeführten Gründe, kann der Apotheker, der üblicherweise eine pharmazeutische Ausbildung durchlaufen hat, nicht die Aufgaben eines Arztes übernehmen. Aus den gleichen Gründen sind in unserer qualitativ sehr hochwertigen Gesundheitsversorgung der Verbleib/die Inbetriebnahme von Teststationen in Containern und/oder Supermärkten nicht zielführend.

 

Übernahme von „Gesundenuntersuchung“ oder „Gesundheitschecks“ durch Arbeitgeber

Auch ein „Gesundheitscheck“ durch eine HR (Human Ressource) Abteilung großer Unternehmen verstößt gegen bestehende gesetzliche Bestimmungen, wie unter Punkt 2. bis 5. ausgeführt. Auch verfügen im Unternehmen beschäftigte Arbeitsmediziner*innen über einen anderen Arbeitsbereich und sollten vielmehr in ihren Kompetenzen in Arbeitsschutz und Unfallvermeidung im Sinne ihres staatlichen Auftrags tätig sein. Die Arbeitgebenden sind nicht befugt, Diagnosen ihrer Mitarbeitenden zu erfahren, geschweige denn in die Diagnosestellung involviert zu sein. Hier bestehen klare Bestimmungen im Arbeitnehmerrecht, die nicht unterwandert werden dürfen. Über die Hintertür der betrieblichen Gesundheitsförderung und Vorsorge kann unser Sozialsystem unterwandert werden.

Vermeidung einer Disruption des bestehenden Gesundheitssystems

Österreich besitzt eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Um die digitale Transformation des Gesundheitssystems voranzubringen schrecken viele Politfunktionäre nicht davor zurück, umfassende Eingriffe in bestehende Patientenrechte vorzunehmen. So sollen (einer Untergruppe von approbierten) Wahlärzt*innen, die bereits einen sehr hohen Anteil an der preisgünstigen ambulanten Versorgung der Patienten bestreiten, in Zukunft auf die Refundierung der Kassenleistung verzichten. Viele Patient*innen könnten sich den Wahlarzt nicht mehr leisten und müssten Wartezeiten (in Abhängigkeit vom jeweiligen Bundesland und der jeweiligen Region) zwischen 6 und 12 Monaten in Kauf nehmen, um bei Kassenfachärzt*innen einen Termin zu bekommen.

Das würde eine Disruption des Gesundheitssystems mit vermutlich schwerwiegenden Folgen auslösen. Es ist äußerst fragwürdig, ob bestehende oder in Entwicklung befindliche Lösungen im Sinne der von der EU festgelegten digitalen Transformation nach humanistischen Gesichtspunkten von statten ginge, oder ob vielmehr die Pharmaindustrie und Medizintechnologie zur weiteren Zerschlagung der bestehenden Gesundheitsversorgung führen. Im neuen Sozialversicherungssystem gehören die Verordnungen von Heilbehelfen nicht mehr zum ärztlichen Aufgabenbereich.

 

Patientenrechte müssen gewahrt bleiben

Wie schon angesprochen besteht in Österreich eine der qualitativ höchsten Gesundheitsversorgungen der Welt, nicht nur unter stationären, sondern auch unter ambulanten Bedingungen (die wenigsten Länder haben frei zugängige Fachärztinnen). Wir alle können uns aussuchen, zu welchem Arzt oder welcher Ärztin wir gehen. Auch ein Arztwechsel ist problemlos möglich, sodass ich mir den Arzt/die Ärztin meines Vertrauens auswählen kann. Das steigert die Patientenzufriedenheit und Therapieadhärenz. Die Errungenschaft des digitalen Rezepts ist unumstritten, dennoch ist die Beibehaltung des klassischen Rezepts notwendig. Analog UND digital ist die Devise, nicht entweder oder.

Ausbildung der Ärzteschaft

Es ist unabdingbar, dass die Aus- und Fortbildung hoheitlich in den Händen der Ärzteschaft bleibt. Ab 1.1.2023 soll auch die Ausbildungsstättenanerkennung an die Länder gehen. Welche Expertise haben sie? Keinem Tischlermeister fiele ein, sich die Ausbildung seiner Lehrlinge wegnehmen zu lassen. Selbstverständlich gehört eine angemessene Entflechtung zwischen Industrie und ärztlicher Aus- und Weiterbildung vorgenommen. Kongresse sollten im Sinne des Nachwuchses regional gestaltet werden und Fort- und Ausbildung während der Arbeitszeit von Oberärzt*innen und Professor*innen vorgenommen werden. Digitale Onlinemeetings ermöglichen hier ressourcen-sparende Möglichkeiten für ausgezeichnete Aus- und Weiterbildung. Dem Ärztemangel muss aktiv entgegen gewirkt werden, um einen Qualitätsverlust zu verhindern. Längst schon ist es nicht mehr möglich, für alle in Ausbildung befindlichen Ärzt*innen an den täglichen Visiten teilzunehmen. Gemeinsame Visiten sind jedoch ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung.

 

Einsparung im öffentlichen Gesundheitsbereich/Pflegenotstand

Aus den gleichen Gründen sind weitere Betten, Abteilungs- und oder Spitalsschließungen unbedingt abzulehnen. Gesundwerdung braucht Zeit, Ruhe und Erholung. Das Annehmen einer Erkrankung erfordert wiederholte Gespräche mit dem/der bettenführenden Arzt/Ärztin. Die Akkordkurzliegezeiten zur Gewinnmaximierung müssen ein Ende haben. Weder die in öffentlichen Spitälern Arbeitenden noch die Kranken wollen ihre Berufung/Gesundung als Fließbandprodukt verstanden wissen.

Der Pflegenotstand ist nach dem Wunsch der Pflege zu beenden. In den 2019 stattfindenden Gesprächen war die letzte Forderung, bei gleichbleibendem Lohn auf 30 Wochenstunden zu reduzieren. Das ist ein sehr faires und akzeptables Angebot, ist doch der Pflegeberuf einer der seelisch und körperlich anstrengendsten Berufe, die es gibt. Für die Aufrechterhaltung der Spitalsbettenanzahl ist die funktionierende Krankenpflege durch diplomierte Krankenschwestern und -pfleger essentiell.

 

Leitung von Spitälern, Kuranstalten, Rehakliniken und selbständigen Ambulatorien

Die zunehmenden Übernahmen der hier genannten Institutionen durch nicht ärztliche Leiter*innen führte zu einer Abnahme der Qualität der erbrachten Leistungen, wie auch zu einer Verarmung der Diversität der Angebote nach rein ökonomischen Gesichtspunkten. Primarärzt*innen sind de facto dem wirtschaftlichen Leiter und/oder Eigentümer untergeordnet und haben immer weniger Rechte, zum Beispiel das Recht, Mitarbeitende einzustellen oder zu entlassen. Dies führte in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Aushöhlung der eigentlichen Funktion des Primararztes. Zunehmend werden digitale Lösungen eingeführt, um dem Arzt mehr Zeit für Gespräche zu geben (?). Letztlich ist jedoch der administrative Aufwand durch den immer höher werdenden Patienten- und Untersuchungsumsatz kaum mehr zu bewältigen. Die Medizin vor allem im Krankenhaus muss wieder menschlicher werden.

Ungleichgewicht der Ausgaben zwischen Gesunden und Kranken

Wenn der Patient zum Kunden wird und noch dazu zusatzversichert ist, verschieben sich die Gelder immer häufiger zugunsten der Gesundenversorgung. Vorsorgeuntersuchung und Früherkennung, ein lukratives und vor allem auch risikoarmes Geschäft. SVS und Privatversicherer cofinanzieren vom Staat geförderte Yogastunden und Gesundheitscoaching. Für die wirklich Kranken bleibt kein Geld mehr.

Gesunde mit Zusatzversicherung legen sich für eine Woche ins Privatspital und lassen sich eben mal „ generalüberholen“. Der schwer Herzkranke im öffentlichen Spital wird nach 2 Tagen entlassen, und wartet dann 3 bis 6 Monate auf den Kassentermin beim Kardiologen. Geht er zur Wahlärztin, könnte es in Kürze sein, dass nicht einmal mehr der Anteil der Kassenleistung refundiert wird. Wollen wir wirklich weiter nach rein wirtschaftlichen und kundenorientierten Kriterien unser Gesundheitssystem zerstören? Die Babyboomer kommen langsam in das kritische Alter, wird es für sie noch eine leistbare medizinische Versorgung geben?

 

Autonomie der medizinischen Universitäten

Wir fordern die Ermöglichung unabhängiger Forschung und Lehre in der Medizin. Bevor die Abspaltung der medizinischen Fakultäten in eigene Medizinische Universitäten stattgefunden hatte, gab es deutlich mehr akademische Forschungsfragestellungen. Noch in den Nullerjahren war es ein erklärtes No-Go unter angesehenen Forschern gemeinsam mit der Pharmaindustrie Publikationen zu schreiben. Diese Einstellung hat sich stark gewandelt. Die Vermischung ist zur Regel geworden, und von staatlichen Förderstellen gewollt. Die derzeitig praktizierte medizinische Forschung kann unter diesen Umständen weder als unabhängig noch als divers oder patientenbezogen bezeichnet werden. Vielmehr dreht sie sich im Kreis, vorbei an den aktuellen Bedürfnissen unserer Gesellschaft. Auftragsforschung wäre eine angemessene Bezeichnung. Inzwischen ist die Einflussnahme so groß, dass selbst ärztliche Schlüsselfunktionen mit Personen, welche der Pharmaindustrie und Medizintechnologie nahe stehen, besetzt werden und noch verbleibende autonom forschende Institute und Abteilungen abgedrängt werden.

Die Änderung des jetzig in Begutachtung befindlichen Arzneimittelgesetzes wird sich verheerend auf die klinische Forschung und die Arzneimittelsicherheit auswirken. Ganze Passagen zur Patientensicherheit und Prüfärzten, sowie Inhaltsstoffen wurden gestrichen.

 

Komplementärmedizin und Naturheilkunde

Die Heilkunst ist eine Disziplin, die sich der Wissenschaft bedient und nicht umgekehrt.

Komplementäre Therapieverfahren, Natur- und Volksheilkunde stellen eine  wenig genutzte Ressource dar. Jahrtausende altes Erfahrungswissen verdient es, in Ausübung und Ausbildung durch die Ärzteschaft ernstgenommen zu werden. Durch dieses große Potential können Patienten in die Eigenverantwortung geführt werden. Die Kosten für unser Gesundheitswesen können durch einfache, effektive und bewährte Mittel im Rahmen gehalten werden.

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